Einschränkung einer wiederholten Antragstellung zur Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes (BSG, B 6 KA 9/15 R, Urteil vom 23.3.2016)

Mit dem Inhalt des Gesetzes kaum in Einklang zu bringen sind die Einschränkungen einer wiederholten Antragstellung zur Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes. Der Senat geriert sich als Gesetzgeber und will taktische Antragsrücknahmen – etwas wegen unliebsamer Mitbewerber des Wunschkandidaten – sanktionieren.

Hierzu führt das BSG aus:

„Der Grundsatz, dass auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Ausschreibung abzustellen ist, erfährt in besonderen Konstellationen allerdings Einschränkungen. Der Senat hat entschieden, dass der Rechtsschutzgedanke in Ausnahmefällen nicht zum Tragen kommen kann, sofern zB ein Antrag in missbräuchlicher Weise bereits lange Zeit vor der Beendigung der Zulassung des abgebenden Arztes gestellt oder wenn das Zulassungsverfahren verzögert wird (BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr 13, RdNr 40). Nicht schutzwürdig kann auch die Rücknahme eines Ausschreibungsantrags und unmittelbar darauf wiederholte Antragstellung sein. Zwar ist eine wiederholte Antragstellung nicht ausgeschlossen. Das Recht auf Wiederholung der Ausschreibung geht aber verloren, wenn feststeht, dass der Praxisabgeber die Übergabe im ersten Verfahren aus Gründen, die vom Gesetz ausdrücklich nicht geschützt werden, hat scheitern lassen (vgl Urteil vom 05.11.2003 – B 6 KA 11/03 R – Juris RdNr 32, insofern nicht abgedruckt in BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1).

Grundsätzlich ist das Nachbesetzungsverfahren mit der Rücknahme des Antrags auf Ausschreibung durch den abgabewilligen Arzt beendet. Das ist schon im Hinblick darauf geboten, dass das Praxisnachfolgeverfahren in besonderem Maße auf zügige Durchführung und Herstellung von Rechtssicherheit ausgerichtet ist (vgl dazu BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 18 f). Stellt der Praxisabgeber einen erneuten oder sogar dritten Antrag, muss er ein berechtigtes Interesse hierfür sowie die Gründe für die vorherige Rücknahme nachvollziehbar gegenüber der KÄV und den Zulassungsgremien darlegen. Das gilt umso mehr, wenn Umstände erkennbar sind, die darauf hindeuten, dass der Praxisabgeber mit seiner Antragstellung bzw -Rücknahme Einfluss auf die Nachbesetzung nehmen will. Ein Praxisinhaber darf das Nachfolgeverfahren nicht dazu nutzen, um außerhalb seines berechtigten Interesses an der Zahlung des Verkehrswertes Einfluss auf das Nachfolgeverfahren zu nehmen (vgl auch BSG Urteil vom 5.11.2003 – B 6 KA 11/03 R – Juris RdNr 32, insoweit nicht abgedruckt in BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1).

Die Einschätzung der Geeignetheit der Bewerber im Übrigen obliegt nach § 103 Abs 4 Satz 3 SGB V allein dem Zulassungsausschuss. Wenn der Praxisabgeber mit dem rechtsfehlerfrei ausgesuchten Praxisbewerber einen Vertrag nicht abschließen möchte, so bedeutet dies nicht, dass der von ihm bevorzugte Praxisbewerber auszuwählen ist, sondern es kommt zum Scheitern des Nachfolgeverfahrens. Es besteht auch aus eigentumsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit, insofern die Willensfreiheit des Praxisabgebers zu schützen (vgl SG Marburg Beschluss vom 25.11.2011 – S 12 KA 797/11 ER – Juris RdNr 42). Die Regelungen über die Auswahl eines Bewerbers sollen sicherstellen, dass der nach Maßgabe der Kriterien des § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V am besten geeignete Bewerber die Nachfolgezulassung erhält. Missbräuchlich ist daher eine Einflussnahme des Praxisinhabers auf das Verfahren vor den Zulassungsgremien zur Durchsetzung des „Wunschkandidaten“. Die Auswahl des Nachfolgers obliegt allein den Zulassungsgremien (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 44 ff)“ (zitiert nach Juris).