Mirena-Spirale: Das Landgericht Essen schränkt die vermeintliche Strafbarkeit der zum Selbstkostenpreis „abgebenden“ Gynäkologen nach dem AMG ein (52 Qs 28 Js 431/14-11/15)

Das Gericht folgt somit der Rechtsauffassung der Verteidigung und führt zutreffend aus:

„Die Applikation eines Medikaments durch einen Arzt stellt jedoch keine Abgabe im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG dar, weil der Patient hierbei keine Verfügungsgewalt über das Arzneimittel erlangt.

Das ist in dem staatsanwaltschaftlichen Vermerk vom 04.10.2012 ausdrücklich im Hinblick auf das Einsetzen der Hormonspiralen ausgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass die Angeschuldigte die Hormonspiralen vor dem Einsetzen zunächst in die Sachherrschaft oder Verfügungsgewalt ihrer Patientinnen gegeben hätte, liegen nicht vor.

Angesichts der Bewertung, dass die Verabreichung eines Arzneimittels durch einen Arzt generell von der Strafbewehrung der Abgabe von Arzneimitteln in

  • 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG ausgenommen ist (s. Körner, a. a. O.), ergibt sich hier nichts Anderes aus dem Umstand, dass die Spirale dauerhaft und als funktionale Einheit im Körper der jeweiligen Patientin verbleibt und nur hinsichtlich der Hormonabsonderung eine Resorption erfolgt.

Es fehlt aber auch an einem Handeltreiben im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG.

Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens ist hier genauso zu verstehen wie im Betäubungsmittelrecht (BGH NStZ-RR 2012, 154; NStZ 2004, 457; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 95, Rn. 201f.). Danach ist eine eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, auch die nur gelegentliche oder nur einmalige, erforderlich (Körner, a. a. O., .29, Teil 4, Rn. 30). Eigennützig ist eine Tätigkeit, wenn der Täter von Gewinnstreben geleitet wird oder sich einen anderen materiellen oder objektiv messbaren immateriellen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., .29, Teil 4, Rn. 182). Bloße Entgeltlichkeit reicht nicht aus; vielmehr muss sich für den Täter ein eigener Nutzen aus dem Umsatzgeschäft ergeben (OLG Hamm, Beschluss vom 14.06.2005 (Az.: 3 Ss 195/05), Rn. 9f., veröffentlicht in juris).

Der Verkauf zum Selbstkostenpreis – hier gemäß § 10 GOÄ – stellt daher zwar eine entgeltliche Veräußerung, aber kein Handeltreiben dar (vgl. BGH NStZ 2004, 457 f., Rn. 60f.).

Mit dem seitens der Staatsanwaltschaft X angeführten angeblichen Vorteil einer gewissen Patientenbindung lässt sich ein Handeltreiben schon deshalb nicht begründen, weil dieser Vorteil auf der Basis der Ermittlungen gerade nicht feststellbar, sondern nur zu mutmaßen ist.“